Der Sprechende Körper
oder Tanz nach der kuriösen Methode
1716 erscheint in Nürnberg ein rätselhaftes Bilderbuch unter dem Titel: "Neue und curieuse Tantz-Schul".
- Ein Mann betritt die Szene und springt gegen die Wand.
- Ein Mann sitzt auf einem Hocker und näht. Eine Frau betritt die Szene. Der Mann steht auf und nimmt Maß.
- Eine Frau trägt ihren Mann im Ranzen.
- Fischer gehen auf große Fahrt und wärmen einander die Hände.
- Pandora zwirbelt Pantalones Bart, bis dieser sich wirbelnd im Kreise dreht.
Der Autor und Choreograph Gregorio Lambranzi bemerkt im Vorwort, er habe die Wirkung der Tänze erprobt und für alle Bilder des Buches selbst Modell gestanden. Die Figuren wechseln ständig zwischen ortsbezogenen, sich stark fortbewegenden oder interaktiven Bewegungsansätzen, doch behalten sie in jeder Lage den gleichen emotionalen und tänzerischen Fluss. Hat hier ein Choreograph etwas von bildender Kunst verstanden oder der Grafiker Georg Puschner etwas von Tanz? Beides ist richtig.
Die kuriöse Methode war bis in das 18. Jahrhundert ein gebräuchlicher Weg, darstellenden/theatralischen Tanz zu unterrichten oder malerische Tableaus zu stellen. Bei ihrer Entwicklung im Italien des 15. Jahrhunderts standen Maler und Choreographen in Konkurrenz. Mit Hilfe der Bewegungstheorie der alten Italiener und u.a. Lambranzis praktisches Buch lassen sich Grundzüge der kuriösen Methode rekonstruieren und erneut zugänglich machen.
Der Workshop "Der sprechende Körper" ist ein Schritt in diese Richtung.
Lambranzis Beispiel folgend, werden im Training einfache Bewegungsabläufe in verschiedenen ‚Lebenslagen' wie: am Platz, in Fortbewegung, im Dialog etc. untersucht. Die Bewegung des Wendens z.B. führt am Platz zu einer Geste der Ratlosigkeit bis Verzweiflung, - in die Fortbewegung übertragen wandelt sich der Affekt zu einer Geste des hoffnungsfrohen Aufbruchs, - im Dialog wiederum erscheint die Geste überredend bis beschwörend. Mit anderen Bewegungsansätzen verhält es sich nicht anders. Um jeden Ansatz gruppiert sich eine ganze Reihe unterschiedlicher Affekte, Gesten und Handlungen. Aus ihnen entsteht das Vokabular kuriöser Tänze.
Der Workshop richtet sich an professionelle und semiprofessionelle TänzerInnen oder TanzpädagogInnen, die
- entweder Erfahrung im Historischen Tanz mitbringen und diese im Hinblick auf szenisches Arbeiten vertiefen wollen oder
- generell an szenischer Verarbeitung von Handlung und Affekt interessiert sind.
Termine: für Gruppen vereinbar und unter www.early-dance.de
Durchgeführt seit 2002 von l'autre pas in der Ballettschule am Ulsteinhaus Berlin, an der Hochschule Magdeburg und für die Schembart-Gesellschaft Nürnberg.